Wolfgang Rossbauer | Architekt
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Projekt Wohnturm mit Relief-Geschossplatten, Zürich, Schweiz.

 

Zwischen Park und Höhle.

Fakten: Studentisches Projekt an der ETH Zürich | Lehrstuhl Christian Kerez | 2003.

Architektur: Wolfgang Rossbauer.

Im Zürcher Vorort Affoltern werden auf einer 30000 Quadratmeter grossen Parzelle drei verglaste, geometrisch strenge Körper in einem künstlichen Park zueinander konstelliert. Sie lehnen sich in Dimension und Höhe an einige Affolterner Bauten aus den 1960er Jahren an, bilden aber dennoch ein eigenständiges Ensemble, das sich auf den üppigen, die Gruppe durchdringenden Baumbestand bezieht und das vor allem - in der höhlenartigen Räumlichkeit der einzelnen Baukörper - die Beziehung mit dem eigenen Inneren sucht. Diese Arbeit beschäftigt sich mit strukturell ähnlichen Themen wie die vorhergehende (Wohungen am Gleisfeld, Zürich, Projekt 2001), das räumlich Entstandene jedoch unterscheidet sich in jeder Hinsicht.

 

Jeder Gebäudekörper wird von einem pragmatisch gedachten System aus sechs Installations- und Erschliessungskernen getragen, die zwei der vier Ecken eines quadratischen Feldes halten. Die beiden anderen Ecken werden mit Bodensprüngen so ausgearbeitet, dass sich einerseits ein statisch sinnhaftes System ergibt und andererseits ein raumbestimmendes Bodenrelief. Die zwei entworfenen Geschosse bilden in statischer und räumlicher Hinsicht ein Abhängigkeitssystem. Die Sprünge der Bodenplatte wirken als Träger, sie ermöglichen weite Auskragungen. Die entstandenen Raumsequenzen genügen mit ihren verschiedenen Höhen unterschiedlichen Nutzungsansprüchen (z.B.: grosszügiger Eingangsbereich 2,70m; enger Durchgang mit 2,40m; kontinuierliches Öffnen zur Ecke, Wohnen bis 3,10m) und spannen ein landschaftliches Wohnfeld auf. Das darüber und darunterliegende Geschoss einer Wohnung ist unmittelbar präsent, der Abdruck der Räumlichkeit ist im Beton sichtbar und spürbar.

Die beiden Wohnungen in jedem Geschoss werden von einer Wandlinie getrennt, die die Erschliessungs- und Installationskerne so umspielt, dass sie gleich einer endlos wirkenden, skulpturalen Abwicklung erscheint. Die statische Ordnung wird verunklart und ist lokal nicht mehr ablesbar - sie ist nur im Zusammenhang mit dem ganzen Gebäude verständlich. Umgekehrt ist im Eingangsbereich unter dem Gebäude die statische Grundordnung, die tragenden Kerne, lesbar, das Deckenrelief bleibt als Abguss einer Raumidee offen interpretierbar. Die Wohnräume folgen einem beinahe archaischen Prinzip: Die verglaste Ecke ist einsehbar und gleichsam öffentlicher Teil der Gebäudegruppe. Die sich ins Gebäudeinnere windenden „Höhlen” werden zum Rückzugsort der Wohnung. Der Ausblick ist hier nur in die Bäume möglich und schliesst die anderen Gebäude aus.

Die Gebäude sind strukturell bedingt in Stahlbeton ausgeführt, der auch sichtbar gemacht wird. Die Oberflächen sollen die Spuren des Benutzers im übertragenen Sinne zeigen. Die Deckenuntersicht soll glänzend lasiert werden und so einen unnahbaren, entmaterialisierten Charakter annehmen. Die Boden- und Wandoberflächen sollen dem räumlichen Charakter des jeweiligen Ortes in der Wohnung entsprechen, d.h. in den fassadennahen Bereichen glänzend poliert und zu den Schlafzimmern hin einen unmerklichen Übergang zu roherer Bearbeitung.

Die Schalungen sind genau wie die Fassaden Bruchstücke einer geometrischen Grossform. Sie setzen als sich immer ergebende Reststücke den Guss als Ganzes zusammen. Die Vollverglasung wird von dünnen schwarzen Stahlprofilen gefasst und „zerstrukturiert” um den selbständigen Charakter - jedoch als Teil des Ganzen - zu betonen.

Das Relief der Bodenplatte ist ein übergeordnetes Prinzip, das sowohl durch die statische Wirksamkeit, als auch durch die skulpturale Bearbeitung die Multiplizierbarkeit der Wohnung ermöglicht. Obwohl die Wohnung auf den ersten Blick das edle Unikat zu sein scheint, wird es vervielfältigt gleich edlen Luxus-Massenartikeln wie Prada oder Gucci. Ein pluralistisches Nebeneinander von individuellem Anspruch und der Massenkultur eines bestimmten Lifestyles werden in ein übersteigertes Spannungsfeld gesetzt.

 

Geschosse A und B abwechselnd